Phänomenologische Ontologie qua Sinn-Analyse
pp. 15-59
Abstract
Die Idee einer Philosophie "ohne Voraussetzungen", genauer: mit nur solchen Voraussetzungen, die alle explizit erwähnt und irgendwie "apriorisch" gerechtfertigt sind, hat viele Philosophen fasziniert. Philosophien "ohne Voraussetzungen" sind, wie die Philosophie-geschichte zeigt, in der Tat ein "alter" und (es sei beigefügt) ein "vergeblicher" Traum. Überzeugender erscheint jedoch eine Philosophie "mit Voraussetzungen". Eine derartige Philosophie kann aber von der Gegenposition Wichtiges lernen. Voraussetzungen nämlich tendieren dahin, unerwähnt zu bleiben und damit nicht ausdrücklich ausgewählt zu sein. Voraussetzungen erfordern deshalb ein bestimmtes Tun, nämlich dass man sie (so weit wie möglich) erwähnt — um sie ausdrücklich annehmen oder verwerfen zu können. Wenn die Gegenposition für sich z.B. die "explizite Bestimmung der eigenen Voraussetzungen" in Anspruch nimmt, kann das zwar als eine Forderung bzw. als Maxime angenommen werden. Abzulehnen ist jedoch zweierlei: erstens die These, es sei (faktisch) möglich, alle eigenen systematisch wichtigen Voraussetzungen explizit zu machen und zweitens die These, es sei (faktisch) möglich und erforderlich, alle eigenen systematisch wichtigen Voraussetzungen irgendwie "apriorisch" bzw. endgültig auf ihre Rechtmässigkeit hin zu legitimieren. Eine vernünftige Philosophie "mit Voraussetzungen" akzeptiert demgegenüber: Es ist wünschenswert, eigene systematisch wichtige Voraussetzungen so weit wie möglich explizit zu machen. Und es ist zweitens wünschenswert, (u.U. alles andere als "apriorische") Gründe für die Wahl systematisch wichtiger Voraussetzungen vorzutragen.
Publication details
Published in:
Haeflinger Gregor (1993) Über Existenz: Die Ontologie Roman Ingardens. Dordrecht, Springer.
Pages: 15-59
DOI: 10.1007/978-94-011-1674-9_2
Full citation:
Haefliger Gregor (1993) Phänomenologische Ontologie qua Sinn-Analyse, In: Über Existenz, Dordrecht, Springer, 15–59.